Ist Gemüse im Winter Luxus?

Manche Radiotipps sind wie Salat: wenn man sie nicht sofort verbraucht (sprich veröffentlicht), sind sie welk. Dachte ich zumindest. Doch als ich vor ein paar Tagen über dier ersten Erdbeeren im Supermarkt stolperte, hab ich mich doch entschieden, sie jetzt zu veröfftlichen…..

Im Februar waren die Preise für einige Gemüsesorten aus Südeuropa gefühlt explodiert, weil durch schlechtes Wetter die Ernten zerstört wurden. Auf einmal war es nicht mehr selbstverständlich, jederzeit Tomaten, Gurken und Salat kaufen zu können. Ich habe mich etwas gewundert, dass darum so ein Hype gemacht wurde und habe im Radio die vermeintliche Gemüseknappheit mal analysiert:

 

 

Fazit: wer gelernt hat, auch Wintergemüse zu mögen und zuzubereiten, isst lecker und günstig. Möhren oder rote Beete zu raspeln und  mit einem Dressing anzurichten dauert bei der richtigen Ausstattung keine fünf Minuten. Und den Tipp, unsere klassischen Wintereintöpfe aufzupeppen mit exotischen Gewürzen aufzupeppen, fand ich auch Gold wert.

(Das Rezept für die Rote-Beete-Rohkost findest du hier)

Und dann erholten sich die Preise und ich fand den Radiobericht gar nicht mehr so aktuell. Bis ich neulich im Supermarkt daneben stand, als eine Mitarbeiterin eine riesige Kiste ins Gemüseregal räumte. In knisternde Plastikfolie verpackte 250-Gramm-Schalen mit Erdbeeren aus Spanien. Und die Kunden drängelten sich schon  hinter ihr, um sie zu kaufen.

Als dann noch ein Blogartikel meiner Kollegin Gabriela Freitag-Ziegler erschien („Zur Erinnerung: Deutsche Erdbeeren haben noch keine Saison“),  fiel mir mein Radiobeitrag wieder ein und es ratterte im Kopf.

Erdbeeren – der Inbegriff von „endlich Sommer“ – im März?

Draußen war es zwar schon deutlich wärmer geworden, aber immer noch Spätwinter. Irgendetwas passste da vom Gefühl nicht….Ich habe mir die Erdbeeren mal angeschaut. Sie waren nur halb reif und ziemlich blass. Allein vom anschauen konnte ich mir schon nicht vorstellen, dass sie schmeckten. Ich bin dann etwas ratlos aus dem Laden gegangen und habe seitdem immer wieder überlegt:

Was bringt uns dazu, Früchte zu kaufen, die gar nicht schmecken können?

Ich würde ja gern ganz erhaben davon schreiben, dass ich das alles völligen Quatsch finde und dazu aufrufen, mehr auf regional und saisonal zu achten. Es gibt viele Artikel darüber, welche Umweltschäden der Erdbeeranbau und der Transport verursachen, z.B. von Hamburger Abendblatt oder vom  NABU  .

Und dann überlege ich, wie ich mich gefreut habe, als neulich in meiner Biokiste eine Zucchini und ein paar Tomaten waren. Nicht immer nur Kohl.

Gefühl is(s)t schneller als Gewissen

Aua, da war es mal wieder nichts mit meinem Anspruch, nachhaltig zu essen. Zumindest nicht immer. Es scheint, als ob  mal wieder am Thema Essen mehr Gefühl hängt als ich mir gerne eingestehe. Schließlich liegen im Gehirn die Verarbeitungsregionen für den Geschmack und den Geruch ganz dicht am Belohnungszentrum. Erinnerungen lassen sich in Millisekunden durch Bilder und Gerüche hervorrufen. Am Ende des Winters endlich wieder den Geschmack von Sommer – je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Verständnis bekomme ich dafür, dass wir so kaufen, wie wir kaufen.

Ob die Käufer/innen überhaupt schmecken, dass das Geschmackserlebnis meistens nichts mit dem zu tun hat, was wir erhoffen? Wenn ja, wird die Ent-Täuschung mit dem Gedanken erträglich: „Na ja, hat immerhin nur 2 Euro gekostet. Doof, aber tut wenigstens im Geldbeutel nicht weh.“ Und dann versuchen wir es im zwei Wochen wieder.

Echte Frühlings- Lebensmittel sind schwer zu bekommen

Es gibt tatsächlich in Supermärkten eigentlich gar keine Lebensmittel, die es im zeitigen Frühjahr erntefrisch aus der Region gibt. Februar, März und April ist die Zeit, in der traditonell die letzten Vorräte aufgebraucht wurden, aufgepeppt mit den ersten frisschen Kräutern. Und weil uns durch das Standard-Supermarkt-Sortiment der Gedanke daran fremd geworden ist, dass es die Fastenzeit deshalb gab, weil es sowieso wenig zu essen gab, kommen wir gar nicht auf die Idee,  dass das normal ist. Wer geht schon noch in Wald und Wiese, um Giersch, Brennesseln und Vogelmiere zu sammeln?

Also was kannst du tun, um wirklich gut zu essen?

Für mich ist der beste Weg, das Tomaten- und Erdbeer-Dilemma zwischen Gefühl und Vernunft zu lösen (wie so oft beim Thema Essen ;)):

  1. es mir überhaupt erstmal bewusst zu machen, warum ich jetzt Erdbeeren (Zucchini, Melone etc….) möchte.
  2. Sie ruhig einmal zu probieren und zu überprüfen: sind sie tatsächlich so lecker, wie ich sie in Erinnerung hatte?  – Und besonders wenn die Antwort „Nein“ ist,
  3. mich beim nächsten Mal vorher zu fragen, ob ich nicht mehr davon habe, mich auf die Zeit zu freuen, wenn Erbeeren Saison haben. Und…
  4. für das Frühjahr neue Ideen zu suchen, mit denen ich mir das Gefühl von Frische und Energie verschaffen kann. Zum Beispiel mit Kräutern wie Girsch, Bärlauch….

Wie ist deine Erfahrung mit Sommerfrüchten im Winter? Lecker oder No-Go? Unverzichtbar für die Vielfalt? Unnötig, weil du gern Wintergemüse magst oder sowieso Kräuter sammelst?

Ich freue mich, von dir zu lesen!