Wie du Smoothie-Fans zum Schäumen bringst…

…weiß ich auch nicht. Aber was mich auf Schaum gebracht hat, lässt sich heute nachlesen. Ich hab´s echt getan: auf Facebook mal so richtig über grüne Smoothies vom Leder gezogen. Hier der Original-Text mit Original-Bild:

Antje mit Smoothie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Ey, wenn ich hier noch ein einziges Rezept für grüne Smoothies lese, kotz ich ins Glas!
Leute, glaubt ihr, wir wissen immer noch nicht, wie’s geht? Oder dass es meine Lust auf die grüne Matsche steigert, wenn ich immer

immerimmer wieder lesen mss, dass nur so mein empfindlicher und degenerierter Darm die tollen Stoffe per Hochleistungsmixer vorverdaut bekommen muss.
Esst endlich echtes Gemüse, das man kauen muss – und vergesst nicht, dass es auch noch andere Lebensmittel gibt. Wurstbrot und Bratkartoffeln zum Beispiel. Oder Schokolade. Die kann man auch trinken, wenn’s sein muss.
Is doch wahr.“

Was hat mich so zornig gemacht?

Ich musste eine Weile überlegen, was mich da so auf die Palme treibt. Der Anlass war eine Online- Konferenz für ganzheitliche Frauengesundheit, bei der ich im Moment jeden Morgen 4 Videos zum Thema Gesundheit geschickt bekomme. Heute wurde ein Beitrag angekündigt: „Wie du dich selbst von Beschwerden befreist und deine Lebenskraft erhöhst“ von einem Experten, der „jahrelang über Darmproblem und andere echt fiese Beschwerden“ klagte. Ich habe das Video noch nicht einmal gesehen und tue dem Autor möglicherweise sehr unrecht, wenn ich zornig werde, dass er als Gratis-Geschenk Rezepte und weitere Angebote rund um grüne Smoothies anbietet. Aber der einfache Schluss, der beim Überfliegen naheliegt, nämlich: trink grüne Smoothies und du wirst gesund, hat für mich mit normalem Essen einfach nichts mehr zu tun. Und ich habe einige Patienten, die mit solchen Ernährungstipps ihre Beschwerden noch verschlimmert haben.

 

Können wir nicht mehr normal essen?

Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass wir nur dann Verantwortung für unsere eigene Gesundheit übernehmen, wenn wir exotische Dinge essen oder eine Verarbeitungsform wählen, die sich nicht mit ganz normalen Küchengeräten herstellen lassen. Diesen Eindruck bekomme ich im Moment im Netz. Ohne Chiasamen kann das mit der Omega-3-Versorgung nicht klappen, Weizen ist böse und mein Gemüse soll ich nicht mehr kauen.

 

Gleichzeitig finden Leute Milch direkt von der Kuh eklig, dürfen Eltern zum Geburtstag keinen selbstgebackenen Kuchen mehr in den Kindergarten bringen, Schinken darf keinen Fettrand haben und niemand will wissen, was mit den Ohren, Nieren und Herzen der Schweine passiert, wenn wir nur das Filet kaufen (abgepackt aus der Kühltheke).

 

Da stimmt etwas nicht. Das hat beides nichts mehr mit natürlichen und unbefangenen Essen zu tun. Ich arbeite seit fast 15 Jahren als freiberufliche Ernährungsberaterin.  Anerkannt von Krankenkassen. Das bedeutet, dass meine Empfehlungen den anerkannten Standards der medizinischen Fachgesellschaften entsprechen müssen. Ich habe hunderte von durchgerechneten, strukturierten Ernährungsplänen an meine Patienten herausgegeben. Oft waren sie erstaunt, dass sie so viele „normale“  Dinge essen dürfen. Fast immer haben sie erkannt, dass es oft die Mengen und die Einseitigkeit ist, die die Probleme machen.

Essen aus Stress, Essen in Hektik, Essen in Massen

Nicht die Sahne ist das Problem. Auch das Eis nicht und das Bier. Es ist die Tatsache, dass wir diese ganzen Extras nicht als Extras wahrnehmen, das es ab und zu mal gibt, sondern als  normal.  Die kleine Belohnung, wenn wir einen ungeliebten Arbeitstag hinter uns gebracht haben. Die Nervennahrung, um vor lauter Stress nicht schlapp zu machen. Anstatt an die Stressursachen zu gehen, essen wir sie weg.

 

Und das Problem ist das ganz normale Alltagsessen. Meistens ist es zu viel. Wir arbeiten einfach nicht mehr wie vor 50 Jahren. Wir müssen heute nicht einmal Zugtüren mehr aufhebeln oder Treppen in der 4. Stock laufen. Aber wir essen noch so, als müssten wir morgen den Acker wieder von Hand umgraben und als gäbe es morgen vielleicht nichts mehr im Supermarkt. Am besten fertig zubereitet. Wer nimmt sich schon die Zeit, eine Pizza selber zu machen.

 

Wir kauen immer weniger. Daher wahrscheinlich mein Zorn auf Smoothies. Die Fruchtzuckermenge, die in einem großen Glas verschwindet (ja, auch wenn er als guter Smoothie zu mindestens 50% aus Gemüse besteht), ist einfach ziemlich viel. Und wenn Leute, die nicht gelernt haben, langsam zu essen und gut zu kauen, einen halben Liter püriertes Grünzeug herunterkippen, merken sie meist nicht, ob sie satt sind. Oder erst eine halbe Stunde später. Esst die Äpfel und den Spinat so, wie die Natur sie gemacht haben, gern auch gedünstet und macht eurem Körper die Arbeit nur so leicht, wie es sein muss.

Wer ein gesundes Maß beim Essen lernt, braucht keine exotischen Empfehlungen

All das, woran es bei vielen Leuten in Puncto Essen hakt, lässt sich nicht mit grünen Smoothies lösen. Und mit radikalem Veganismus nicht und mit Paleo-Ernährung, Low Carb oder Trennkost auch nicht. Und auch nicht mit den ganzen anderen Ernährungsformen, die in den Buchläden und im Netz auftauchen und nach einem Jahr wieder verschwinden.

Wer versteht, dass es NUR darum geht, wieder ein gesundes Maß an gesundem Essen zu finden, braucht keine Radikalität auf dem Teller. Wer versteht, dass es reicht, zu überlegen, was wir vor der Industrialisierung unseres Essens gegessen haben und es an das heutige eigene Bewegungsmaß anpasst, braucht sich vor keinem Essen zu fürchten. Und wer versteht, dass Essen nur zufrieden macht, wenn man aus Hunger oder aus echtem Genuss isst, braucht keine Frust-Schokolade mehr (hier kannst du wahlweise Chips, Bier oder Eiweißshakes einsetzen).

Kulinarische Gelassenheit!

Und dann kann es sogar sein, dass die Normal-Esser mal Lust haben, einen grünen Smoothie zu probieren. Oder gern durch ein veganes Kochbuch blättern – weil da nämlich echt tolle Ideen drinstehen, auf die man meistens nicht kommt, wenn man mit einem Bratwurst-Gehirn aufgewachsen ist. Ich freu mich schon so auf das neue Zeitalter der kulinarischen Gelassenheit, das dann hereinbricht!

 

Willst Du wissen, wie der Facebook-Geschichte endete? Eine Meldung per Messenger, dass sie meinen Post nicht richtig findet und innerhalb von 4 Stunden ca. 20 Kommentare, die mich entweder zum Lachen brachten oder mir bestätigen, dass sie grüne Smoothies auch nicht mögen. Shitstorm geht anders ;).

 

Zum Schluss: ich freu mich über deine Meinung hier in den Kommentaren. Darf eine Ernährungsberaterin so vom Leder ziehen wie ich das gemacht habe? Wie ist deine Erfahrung mit speziellen Ernährungsformen: macht es Dir Spaß, solche Trends auszuprobieren? Oder kommst du dann in Stress, weil dein „normales“ Essen eventuell nicht gut ist?

 

Schreib mir gern und genieß Dein Essen!

 

Herzliche Grüße,

Antje