Die Versorgung mit Vitaminen ist ein Thema, über da nach der Adipositas-OP heftig diskutiert wird. Wenn du dich mit der OP beschäftigst oder wenn du schon operiert bist, kennst du wahrscheinlich die Leitlinie Adipositaschirurgie, in der eine lebenslange Einnahme von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten empfohlen wird. Dieses „ein Leben lang“ fällt Vielen sehr schwer und weil es in meiner  und in anderen Facebook-Gruppen immer mal wieder in Frage gestellt wird, möchte ich dich anhand des Vitamins B12 mit auf eine Reise ins Innere deines Körpers nach der Adipositas-OP nehmen.

 

Bestimmt hast du schon öfter gehört, dass es sehr wichtig ist, auf den Vitamin B12 Spiegel zu achten, weil ein Mangel erst ohne Supplemente gar nicht zu vermeiden ist, weil ein Mangel erst sehr spät feststellbar ist und weil die Schäden, die bei einem Mangel entstehen können, zumindest zum Teil nicht wieder rückgängig zu machen sind.

 

Das macht aus einem B12 Mangel natürlich ein ganz schönes Schreckgespenst und ich möchte dir ein paar Hintergründe mitgeben. Wofür brauchen wir Vitamin B12 überhaupt? Wie kommt der Stoff, der in Fachbüchern Cyanocobalamin genannt wird, in unseren Körper und warum ist das nach einer Magenverkleinerung ein Problem? Und schließlich: welche Mängel und Schäden können entstehen, wenn du dauerhaft zu wenig Vitamin B12 aufnimmst?

 

Warum solltest du über Vitamin B12 Bescheid wissen?

Zur Erinnerung: Vitamine sind Stoffe, die unser Körper zum Funktionieren braucht, die er aber nicht selber herstellen kann. Im Gegensatz zu den so genannten Makro-Nährstoffen wie den Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten liefern sie keine Masse, sondern es reichen winzige Mengen. An welchen Prozessen im Körper wird Vitamin B12 überhaupt beteiligt? Das zu wissen hilft uns, die Probleme, die nach einer Adipositas-OP auftreten können und die leider ziemlich diffus sein können, besser im Blick zu haben. Das, was ich mit Vitamin B12 zusammenfasse, besteht aus verschiedenen, verwandten chemischen Verbindungen, die an verschiedenen Stellen im Körper wirken. Und an diesen Stoffwechselvorgängen ändert sich mit den Schnitten an deinem Magen einiges.

Dass ich die Erklärungen stark vereinfacht habe, werden mir diejenigen, die sich mit den Feinheiten von Zellen auskennen, sicher nachsehen. Du willst ja nicht Biochemie studieren, sondern verstehen, was du beim Essen und der Nahrungsergänzung beachten musst, damit es dir mit deinen speziellen Bedingungen so gut wie möglich geht.

 

Wofür Vitamin B12 in deinem Körper sorgt 

Viele Vitamine wirken an mehreren Prozessen im Körper mit. Wir beleuchten hier 3 Wirkungskreise: dein Nervensystem, die Verdauung von Eiweiß und die Beteiligung an der Blutbildung.

Vitamin B12 in der Schutzhülle für Nervenzellen 

Myelinscheide – damit beschreibt man eine Schutzschicht um alle Nervenzellen. Sie sorgt einerseits dafür, dass die Nerven nur auf sinnvolle Reize reagieren und andererseits dafür, dass die wirklich wichtigen Signale, schnell und effektiv weitergeleitet werden. Und für den Schutz und die Pflege dieser Hülle braucht dein Körper Vitamin B12.

B12-Mangel – die Nerven liegen blank 

Bei einer Schädigung liegen wörtlich „die Nerven blank“. Die Nerven reagieren gereizt auf Dinge, die sonst harmlos wirken – und die wirklich wichtigen Reaktionen finden nur noch verlangsamt oder gar nicht mehr statt. Die kleinen Nervenenden in Händen, Füßen und an der Haut werden geschädigt. Du nimmst Druck, Hitze, Kälte nicht mehr zuverlässig wahr, es kribbelt oder wird taub.  Auch im Inneren des Körpers werden die Nervenzellen durch einen Mangel an Vitamin B12 geschädigt, was sich durch diffuse Schmerzen oder andere Funktionsstörungen wie Blasen- oder Muskelschwäche bemerkbar machen kann. Leider sind viele dieser Störungen besonders anfangs gar nicht so einfach zu bemerken und können auch andere Ursachen haben.

Depressionen durch B12-Mangel? 

Bei der Schädigung von Nerven spielt auch das Thema Niedergeschlagenheit/Depressionen eine Rolle. Auch bei Depressionen funktioniert Reizleitung zwischen den Nervenzellen nicht richtig. Auch wenn es noch keine genaue Erklärung für die Rolle von Vitamin B12 gibt, hat man umgekehrt herausgefunden, dass bei vielen Menschen mit Depression die Vitamin-B12-Spiegel erniedrigt sind (und erniedrigte Spiegel zeigen sich erst, wenn schon ein Mangel vorliegt) – und dass eine Gabe von Vitamin B12 die Behandlung von Depressionen wirksamer machen kann.

Gerade bei einer so großen Umstellung wie einer Magenverkleinerung, bei der ja nicht nur der Körper, sondern auch der Alltag, die Erscheinung und das Selbstbild sich massiv verändern, kann es ziemlich schwierig sein, die Ursachen von Stimmungsschwankungen richtig einzuordnen.

 

Vitamin B12 und die Eiweißverdauung

Bei diesem Thema sollte jeder /jedem Adipositas-Operierten die Ohren klingeln: Vitamin B12 ist beteiligt daran, Eiweiß und Fett überhaupt für den Körper verdaulich zu machen. Es sorgt im Magen mit dafür, dass die komplexen Bestandteile der Nahrung in vom Körper verwertbare Einzelbausteine zerlegt werden können. Also: wenn du noch in den Ohren hast, dass Eiweiß ja ein ganz, wichtiger Faktor am Essen und an der Versorgung nach der Adipositas OP ist, kannst du dir also schon denken, dass genug Vitamin B12 wichtig ist.

Leider habe ich keine zuverlässigen Infos darüber gefunden, wie sich ein B12-Mangel genau auf die Eiweißverdauung auswirkt. Wenn du da einen Literatur-Tipp für mich hast, schreib mir gern eine Mail.

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Vitamin B12, Folsäure und die Blutbildung

Ohne Blut läuft nichts im Körper. Und wir bilden es jeden Tag neu aus ganz vielen Bestandteilen. Allein 200 Milliarden rote Blutkörperchen entstehen jeden Tag neu.

Dabei spielen verschiedenen Vitamine eine wichtige Rolle, zum Beispiel auch
Folsäure, die du auch aus grünem Gemüse (und wahrscheinlich vom Beipackzettel deines Vitaminpräparats) kennst. Damit die Folsäure aber in die Blutzellen eingebaut werden kann, braucht es Vitamin B12.

Du merkst also, das sind ganz schön komplexe Zusammenhänge.

Gestörte Blutbildung macht schlapp

Wenn die Bildung von Blut nicht richtig funktioniert, merkt man das auch häufig nicht sofort. Die Symptome wie Abgeschlagenheit, verminderte Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit und teilweise auch Atemprobleme oder Herzrhythmusstörungen oder Schwindel sind, wie schon die Symptome von Nervenschäden, sehr unspezifisch. Dabei denkt man nicht zuerst an einen Vitamin-B12-Mangel. Warum man den zusätzlich leicht übersieht, liest du im Abschnitt „Mangel erkennen“ im 2. Teil.

 

Genug Vitamin B12 – der Magen macht den Unterschied 

Menschen mit einem kompletten Magen, die sich so ernähren, wie es in unseren Breiten als normal gilt, haben nur sehr selten einen B12-Mangel. Es kommt nämlich in
allen tierischen eiweißhaltigen Produkten vor. Praktischerweise sind das die Lebensmittel, die für Adipositas-Operierte wegen des Eiweißgehalts sowieso empfohlen werden: Fleisch, Fisch und alles, was aus Milch hergestellt wird.

Aus pflanzlichen Produkten ist Vitamin B12 nur in ganz geringen Mengen durch Fermentieren herstellbar. Sauerkraut oder andere fermentierte Gemüse enthalten geringe Mengen an Vitamin B12, auch einige Algen enthalten Vitamin-B12-ähnliche Stoffe. Wer sich also vegan ernährt, hat normalerweise Vitamin B12 im Blick und supplementiert es.

Nach Adipositas-OP brauchst du 250 Mal soviel wie vorher

Wir brauchen unter normalen Umständen vier Mikrogramm B12 am Tag, Schwangere, kranke Menschen, die viele Medikamente nehmen müssen und alte Menschen brauchen etwas mehr. Das ist eine überschaubare Menge, über die sich Mischköstler keine Gedanken machen müssen.

Die Empfehlung nach der Adipositas OP ist, 1000 Mikrogramm pro Tag zu sich zu nehmen. Wirklich: 250 Mal so viel wie vorher. Dieser Unterschied ist so groß, dass es sich lohnt, einen genaueren Blick darauf zu werfen, warum das so ist.

 

Warum wird B12 nach der Magen Verkleinerung zum Problem?

Es sind zwei Dinge, die dazu führen, dass du mit deinem verkleinerten Magen und Vitamin B12 ein Problem bekommst: das „Herauslösen“ des Vitamins aus der Nahrung und die Aufnahme von B12 in die Blutbahn.

Verkleinerter Magen – veränderte Verdauung

Ein Aspekt, der die Verfügbarkeit von Vitamin B12 verringert, ist die Tatsache, dass im verkleinerten Magen die Magensäurebildung anders funktioniert als vorher. Meistens wird weniger gebildet als vorher – oder du nimmst, wie es besonders in den ersten Monaten nach der OP empfohlen wird, ein Magenschutz-Medikament, das die Bildung von Magensäure verringert.

Das führt aber dazu, dass eben wenig Magensäure vorhanden ist bzw. sich die Zusammensetzung der Verdauungsflüssigkeit verändert. Die Folge ist in beiden Fällen, dass die eiweißhaltigen Lebensmittel nicht mehr so effizient „aufgelöst“ werden – und das vermindert die Verfügbarkeit von Vitamin B12.

Vitamin B12 braucht eine Transporthilfe

Die zweite wichtige Veränderung nach einer Magenverkleinerung betrifft die Tatsache, dass Vitamin B12 nicht von alleine in deinen Körper kommt. Es braucht ein Co-Enzym, also einen Stoff, der sich im Magen mit ihm verbindet und dann im Darm dafür sorgt, dass das Vitamin überhaupt in die Blutbahn aufgenommen werden kann. Das Wirkprinzip ist so ähnlich, wie wir das von Zucker und Insulin kennen.

Das Co-Enzym heißt Intrinsic Factor und wird in der Magenwand gebildet. Aber: da bei der Magenverkleinerungs-OP ein großer Teil des Magens entweder entfernt (beim Schlauchmagen) oder stillgelegt wird (bei den Bypässen), wird kein Intrinsic Factor mehr gebildet. Das bedeutet, dass die geringeren Mengen des Vitamins, die nach der OP überhaupt in den Körper gelangen, nun zusätzlich noch ein Transportproblem haben.

 

Problem: mehr Bedarf, keine Aufnahme

Das klingt nach einem ziemlichen Dilemma: unser Körper braucht dringend Vitamin B12, und nach der Magenverkleinerung kann er es gar nicht mehr richtig aufnehmen. Wenn die Vitamin-B12-Geschichte hier zu Ende wäre, müssten ja über kurz oder lang alle Menschen nach einer Magenverkleinerung mit kaputten Nerven (sowohl körperlich als auch seelisch), blutleer und schlapp vor sich hinvegetieren.

Cliffhanger: so wirkt Vitamin B12 nach der OP trotzdem

Dass das zum Glück nicht so ist, hat mehrere gute Gründe.  Der erste ist, dass dein Körper das Vitamin B12 (im Gegensatz zu vielen anderen Vitaminen) ziemlich gut speichern kann. Die Leber bewahrt diesen Schatz über mehrere Jahre lang auf und kann so lange ausgleichen, was über die Nahrung fehlt.
Diese Fähigkeit ist auch eine Erklärung dafür, dass Werte von Vitamin B12 im Blut lange gut aussehen können – und viele Operierte (leider auch manche Ärzte) meinen, dass sie erst dann mit Vitaminpräparaten gegensteuern müssen.

Aber wenn die Speicher nicht nachgefüllt werden können, weil die Aufnahme nicht mehr stattfinden kann, holt dich das Problem irgendwann ein.

Dass es trotzdem der Mehrheit der Betroffenen auch Jahre nach der Magenverkleinerung noch gut geht, liegt an einigen Tricks, die ich dir im nächsten Artikel vorstelle. (Wenn du über neue Artikel informiert werden möchtest, trag dich gern in meinen Newsletter ein.)

Dann beleuchte ich für dich noch genauer, wie man den Vitaminstatus im Blut zuverlässig erkennen kann (Spoiler: nein, der reine B12-Wert reicht nicht!)

Auch wenn es hier im Artikel nicht so sehr um einzelne Lebensmittel ging, hoffe ich, dass dir diese Reise in die Hintergründe deines Körpers und deines Stoffwechsels dabei hilft, gut auf ihn zu achten und ihn gut zu versorgen.

Wenn du dich zum Thema austauschen möchtest,  komm gern in die Facebook-Gruppe „Adipositas-OP – mein Weg“. Dort moderiere ich  – bei Bedarf auch kontroverse – Diskussionen um alle Themen zum Thema entspannt essen vor, nach oder statt Adipositas-OP.