Da sitzen sie im Badeanzug auf der Wiese, haben ihre Rettungsringe um den Bauch und gucken fröhlich. Aber ist es wirklich immer so locker und fröhlich, wie die Deko-Figuren im Bild wirken? Wenn du nach der Überschrift weitergelesen hast, fühlst du dich mit deinem Übergewicht wahrscheinlich oft nicht so fröhlich. Eher unglücklich oder sogar verzweifelt. Spätestens seit in der großen Fernsehsendern häufiger über Adipositas-OPs berichtet wird, fragst du dich, ob eine Magenverkleinerung auch für dich ein Weg sein kann, endlich dauerhaft abzunehmen. Gar nicht so einfach zu entscheiden. Immerhin ist es eine Entscheidung für´s Leben.

Im letzten Blogartikel habe ich dir einige Quellen vorgestellt, die dir die sachlichen und technischen Voraussetzungen erklären (hier kannst du nochmal nachlesen:  Orientierungshilfe im Infodschungel:)

Heute habe ich einige Fragen für dich zusammengestellt, die dir helfen können, deine persönliche Situation einzuschätzen. Also darüber nachzudenken, wie gut du mit der Veränderung durch einen verkleinerten Magen zurecht kommen wirst.

Ob du die nötige Disziplin aufbringen kannst, ohne die auch eine Adipositas-OP nicht gut wirkt.

Wie du mit Durststrecken und Dingen umgehst, die nicht immer glatt laufen.

Wo du dir Unterstützung holst.

Wenn du dir die Zeit nimmst, dir für dich allein  oder im Gespräch mit Freunden Klarheit über diese Fragen zu verschaffen, hast du eine gute Grundlage für die Entscheidung für oder gegen die OP.

Diese Fragen finde ich hilfreich:

Wie sind deine Erfahrungen mit Diäten und gesundem Essen?

Du kannst die Erfahrungen mit Diäten und Abnehmversuchen gut nutzen, um herauszufinden, wie du dich auch nach der OP gut motivieren kannst. Oder wenn du weißt, an welchen Stellen du immer wieder gescheitert bist, kannst du dich jetzt besser drauf vorbereiten, wenn du dic mit deiner Ernährungsberaterin, BeraterInnen oder Freunden berätst.

Körperliche Folgen von Diäten

Meine Erfahrung ist, dass es körperlich negative Folgen hat, wenn du schon häufig abgenommen hast und dein Gewicht hinterher wieder hochgeschnellt ist. Je radikaler die Nahrungseinschränkung, desto schwieriger wird es im Laufe der Jahre, mit krassen Diäten Erfolg zu haben. Für viele meiner KlientInnen gilt: je häufiger du den Jojo-Effekt schon erlebt hast, desto „zerschossener“ ist dein Stoffwechsel. Deshalb kann es körperlich sogar vorteilhaft sein, wenn du noch nie eine Diät gemacht hast.

Welche Gefühle verbindest du mit „Diät“?

Genauso interessant wie die körperlichen Aspekte finde ich, zu beobachten, welches Gefühl das Wort „Diät“ oder „abnehmen“bei dir auslöst.

Ist es eher die Erinnerung daran, wie toll es sich angefühlt hat, als du in Standard-Kleidergrößen gepasst hast? Wie du dich gefreut hast, wieder Rad fahren oder tanzen zu können? An den Schwung und die Motivation, die dir dein Abnehmerfolg verschafft hat?

Oder kommt eher die Erinnerung an Frust-Gedanken hoch? Hast du dich damit gequält, zu verzichten und hast dich eingeschränkt und bevormundet gefühlt? Freudloses Essen, das dir nicht schmeckt. Mini-Portionen und Hungergefühle…

Wie war es, anders zu kochen? Zum Beispiel, mehr Gemüse zu essen oder im Restaurant mit dem Kalorien-Blick über die Speisekarte zu lesen. War es eher toll, weil es Spaß gemacht hat und lecker war? Oder eher anstrengend, weil ungewohnt und zeitaufwändig?

Auch die Erinnerung, wie es war, als die Kilos auf der Waage wieder mehr wurden, kannst du mal wieder hervorkramen. Ist es schleichend passiert, dass du es gar nicht bemerkt hast? Oder hat dich das Versagensgefühl bei jeder Ausnahme begleitet, die du gemacht hast? Und dir leise ins Ohr geflüstert: „Lass es doch einfach, du schaffst es doch sowieso nicht!“

Auf alle diese Fragen gibt es nicht DIE Antwort, die dir das „GO“ für die Entscheidung zur OP liefert. Ich finde es immer hilfreich, die positiven Erinnerungen dafür zu nutzen, dir vorzustellen, wie sie mit Hilfe der OP noch besser wirken. Und mit Hilfe der unangenehmen Erinnerungen zu überprüfen, ob die OP eine Unterstützung dabei ist, sie nicht zu wiederholen.

Wie gut kannst du dich an Vorschriften und Verbote halten?

Ich benutze diese Worte im Zusammenhang mit Abnehmen selten. Aber eine magenverkleinernde OP hat zur Folge, dass du dich zumindest in der ersten Zeit an einige Regeln halten musst.

Regelmäßig essen, Nahrungsergänzung nehmen

Wer es nach der Adipositas-OP nicht hinbekommt, auf ausreichend Eiweiß, angemessene Portionsgrößen und einen sinnvollen Umgang mit Süßigkeiten/Snacks, Alkohol zu achten und zusätzlich regelmäßig die empfohlene Nahrungsergänzung zu nehmen, nimmt zwar wahrscheinlich trotzdem ab. Den Preis zahlst du dann nach einigen Jahren in Form von Mangelernährung, Knochen-oder Zahnproblemen oder in manchen Fällen auch der Rückkehr des starken Übergewichts.

Was ist mit Ausnahmen?

Wenn für dich die Freiheit superwichtig ist, alles, wirklich alles auf der Welt essen zu können, könnte es schwierig werden. Oder wenn du den Gedanken schlimm findest, beispielsweise bei Festen nicht mehr so mitessen und trinken zu können wie vorher. Es werden Moment kommen, wo es dir schwer fällt.  Natürlich kannst dich jederzeit entscheiden, Ausnahmen zu machen oder „verbotene“ Lebensmittel zu essen bzw. trinken (Kohlensäure oder Alkohol)- wenn du bereit bist, dafür vielleicht auch Schmerzen in Kauf zu nehmen.

Regelmäßige Nachsorgetermine

Eine „Vorschrift“, die von jedem guten Adipositaszentrum gemacht wird, ist die lebenslange Nachsorge. Das bedeutet von Seiten der Klinik, dass sie sicherstellen müssen, dass du dein Leben lang Kontrolluntersuchungen im Zentrum machen kannst, bei denen alle wichtigen Werte überprüft werden.

Auf der anderen Seite liegt es an dir, dich selber mit um diese Termine zu kümmern. Ich höre erschreckend oft, dass  es Vielen schwer fällt, die Kontrollen regelmäßig zu nutzen. Im Idealfall ist es wie der jährliche Zahnarztbesuch: hingehen und dich freuen, wenn alles okay ist.

Bist oder warst du von Sucht- oder psychischen Erkrankungen betroffen?

Es gibt nur recht wenige Voraussetzungen, unter denen eine Adipositas-OP abgelehnt wird. In der Leitlinie zur Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen sind die Bedingungen festgelegt. Dort werden außer Schwangerschaft, Krebs- oder andere kräftezehrenden Erkrankungen nur „instabile psychopathologische Zustände (…) wie z.B. eine unbehandelte Bulimia nervosa oder aktive Substanzabhängigkeit“ genannt.

Eine (behandelte) psychische Erkrankung kein Ausschlusskriterium für eine OP

Das bedeutet also umgekehrt, dass alle anderen Erkrankungen erst einmal kein zwingendes Operationshindernis sind. Wenn du die Kostenübernahme für die OP beantragst, ist ein psychologisches Gutachten vorgesehen. Leider sind die Kapazitäten bei PsychologInnen in Deutschland so knapp, dass sie in den Gesprächen für die Gutachten nicht überprüfen können, wie gut du mit den Folgen der OP klarkommst. Dieses Gutachten ersetzt keine notwendige psychotherapeutische Behandlung.

Psychologische Begleitung ist eine wichtige Unterstützung

Ich gehe davon aus und wünsche dir, dass du, wenn du von einer psychischen Störung betroffen bist, in regelmäßiger psychologische Begleitung bist. Und mit deiner TherapeutIn ausführlich und in Ruhe besprichst, wie du mit den Anforderungen klarkommst, die ich oben beschrieben habe. Wenn du momentan nicht in Therapie oder Begleitung bist, solltest du mit deiner Familie, deiner Ärztin oder dem Adipositaszentrum besprechen, ob du stabil genug bist, die Übergangszeit nach der OP mit Hilfe deiner Familie zu bewältigen.

Leider erlebe ich in meiner Praxis ziemlich viele Menschen, die auch selber von sich sagen, dass ihnen eine Therapie oder psychologische Begleitung gut tun würde. Oder die ich so erlebe, dass es ihnen sehr schwer fällt, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, obwohl sie sich es meiner Meinung dringend bräuchten. Das heißt nicht, dass diese KlientInnen „psychisch krank“ oder „verrückt“ sind. Sondern dass die Zeit nach der OP eine besondere Situation ist, in der jemand mit Sucht- oder Erkrankungshintergrund besondere Unterstützung braucht.

Wir Fachleute aus den anderen Disziplinen und engagierte Selbsthilfegruppen versuchen dann natürlich zu unterstützen, so gut es geht. Wenn aber alte Themen wieder aufflammen, ist das oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Meine Beratungseinheiten sind auf 30 Minuten pro Monat angesetzt. Da nützen mir meine Einfühlsamkeit und meine psychologischen Fortbildungen auch nur begrenzt. Und es gibt nach wie vor außer den (wirklich sehr engagierten!) Selbsthilfegruppen fast keine professionellen Beratungsangebote, die die spezielle Situation von Übergewichtigen nach der Adipositas-OP berücksichtigen können.

Als eine Möglichkeit, sich mit Moderation auszutauschen, habe ich eine geschlossene Gruppe auf Facebook eingerichtet, in der ich Unterstützung beim Entscheiden und Dranbleiben anbiete. Wenn du bei Facebook bist und dort mal reinschauen möchtest, kannst du dich hier für die Gruppe „Adipositas-Op mein Weg“ anmelden(Link zu Facebook) 

 

Wer unterstützt dich in deinem Umfeld?

Du wirst dich verändern. Auf jeden Fall körperlich und wahrscheinlich auch im Kopf und in der Seele. Das ist ja Sinn der Operation. Und doch ist es nicht „ungefährlich“. Nicht jedeR in deinem Umfeld wird sich freuen und dich unterstützen.

Auf gescheiterte Diäten war bislang Verlass

Auf Diäten und ihr Versagen konnte man sich bisher verlassen. Nach 10 Kilo runter ist kam über kurz oder lang wieder 15 Kilo rauf. Das ist bei Joschka Fischer nicht anders als bei Heike und Patrick von nebenan. Oder eben bei dir. Ganz ehrlich: wenn du im Bekanntenkreis oder in der Familie mitbekommst, dass jemand erfolgreich abnimmt, gab es da bisher nicht auch eine kleine Stimme im Hinterkopf, die sich sagt: „Mal sehen, wie lange es diesmal hält.“ Aus meiner Beraterinnen-Erfahrung kann ich das ganz ohne Schadenfreude sagen. Die Statistik , dass es nur 5% aller Übergewichtigen schaffen, ihr Gewicht dauerhaft um mehr als 5% zu senken, gilt seit Jahrzehnten. Es ist also normaler als wir gern denken und uns die Diätindustrie glauben machen will.

Dieses unschöne, aber verlässliche Gleichgewicht verändert sich, wenn du es mit Hilfe der OP schaffst, 40 bis 80% deines Übergewichts abzubauen. (magenverkleinernde Operationen sind, was die Abnehm-Erfolge angeht, tatsächlich eine Erfolgsstory).

In der Übergangszeit nach der OP lernst du, neu zu kochen, andere Dinge zu essen und dich auf einen stabilen Ess-Rhythmus einzustellen. Das bedeutet  oft, dass sich die Mahlzeitenstruktur komplett verändert.Das passt nicht immer zu den Gewohnheiten deiner Familie.

Wie reagieren Familie und Freunde?

„Bei uns sind alle dick.“ „Ein Mann ohne Bauch ist ein Krüppel.“ „Du kannst ja dein Karnickelfutter essen, aber ich habe keine Lust, mich einzuschränken“. Wenn du solche Sätze kennst und sie für dich nicht nur ein Scherz sind, ist es gut, zu sondieren, wer dich in deiner Familie oder deinem Freundeskreis unterstützen kann. Ich habe, besonders in den ersten Jahren, öfter erlebt, dass Operierte es dem Freundeskreis oder sogar ihrer Familie verschwiegen haben, dass sie einen Magenbypass oder einen Schlauchmagen haben.

Wenn du bisher in deiner Beweglichkeit eingeschränkt bist und mit der Gewichtsabnahme mobiler und aktiver wirst, verändert sich der Alltag deiner ganzen Familie. Dein Erfolg wird dich wahrscheinlich mutiger und selbstbewusster machen. Oft auch attraktiver. Und möglicherweise wirst du dadurch auch unbequemer und forderst auch von deiner Familie ein, sich aktiver und gesundheitsbewusster zu verhalten. Ich habe dazu keine Statistiken nachgelesen, aber die Scheidungsrate nach Adipositas-OPs liegt mit Sicherheit nicht unter dem Durchschnitt.

Über die Veränderung reden

Das liest sich jetzt vielleicht sogar ein bißchen bedrohlich. Muss es aber nicht sein – wenn du bereit bist, das mit deinen Lieben zu besprechen – und sie sich darauf einlassen, ihre Sorgen und Bedenken mit dir zu teilen. Mit dem Partner/der Partnerin genauso wie mit deinen Kindern. e nachdem, wie alt sie sind, kannst du ihnen erklären, dass Mama oder Papa nach Operation anders essen werden und sich bald besser bewegen können (der Ansatz für jüngere Kinder) oder dass sich für alle dadurch die Chance ergibt, fitter zu werden (bei größeren Kids).

Wenn deinE PartnerIn große Schwierigkeiten hat, sich mit der Veränderung anzufreunden, kommst du um eine Klärung sowieso nicht herum. Was bedeutet es für die Beziehung, wenn du dich so stark veränderst? Was ist, wenn es dir (vorübergehend) schlecht geht?  Wenn ihr es schafft, freundlich und ehrlich miteinander zu reden, worüber er/sie sich sorgt und wie ihr euch gegenseitig unterstützen könnt, kann eine solch schwerwiegende Entscheidung Eure Beziehung sogar stärken. Von einigen Operierte höre ich hinterher: “ Hätte ich doch schon früher den Mut zur OP gehabt!. So vieles ist in der Familie und der Partnerschaft jetzt leichter.“

So nimmst du dir Zeit, deinen Weg zu planen

Ich musste fast ein bißchen schmunzeln, als ich die Fragen eben noch einmal durchgelesen habe. Sie haben auf den ersten Blick nur sehr wenig mit dem zu tun, was „man“ von einer Ernährungsberaterin erwartet. Wenn du lieber konkrete Tipps dazu möchtest, welche Lebensmittel du essen solltest oder welche Dinge für dein Essverhalten wichtig sind, helfen dir die Infos in diesem Artikel weiter. 

Ich bin überzeugt, dass du dann am besten von einer Ernährungsumstellung oder einer Magenverkleinerung profitierst, wenn du dich mit diesen Fragen beschäftigst. Einen guten Weg, wie du dir für dich selber Zeit nehmen kannst, habe ich in diesem Beitrag vorgeschlagen.

Ich wünsche Dir von Herzen, dass du mit der richtigen Kombination von „vorher Gedanken machen“ und „es tatkräftig angehen“ für dich den besten Weg zu einem gesunden und glücklichen Gewicht findest!

Welche Frage ist für dich am wichtigsten bei der Entscheidung für deinen Abnehm-Weg (gewesen)? Lass es mich gern in den Kommentaren wissen.